In dieser Rubrik haben wir vor, die alten, teilweise aus den heidnischen Zeiten stammenden masurischen Sitten und Traditionen zu präsentieren, die mit schon teilweise vergessen wurden.
Die Masuren lebten auf dem Land. Der Ackerbau wurde neben dem Fischfang und der Waldbienenzucht zur ihren Hauptbeschäftigung. Aus diesem Grund war die Erntezeit besonders wichtig im Leben dieser landwirtschaftlichen Bevölkerung. Im Sommer wurde die Ernte eingebracht. Von Effekten dieser Arbeit war die Existenz der Bauern abhängig. Das Getreide versicherte ihnen das wichtigste Lebensmittel – das Brot, das als Geschenk des Gottes betrachtet wurde. Im Gegenteil zu Ermland, wo das Getreide schon lägst mit der Sense geschnitten wurde, mähte man es in Masuren noch lange mit der Sichel. Die erstgeschnittenen Ähren wurden mit dem Zeichen des Kreuzes gesegnet. Die ersten Garben wurden auch in Form eines Kreuzes in die Scheune gelegt. Die Religion spielte damals eine große Rolle im Leben der Menschen und war überall anwesend. Auf dem Weg zur Arbeit sowie bei der Heimkehr sang man religiöse Lieder. Auch der Aberglaube war daran schuld, dass die Masuren so lange die Sichel statt Sense benutzt haben. Man fürchtete, dass das Mähen mit der Sense den Gott beleidigen kann. Bevor man mit der neuen Arbeit angefangen hat, sagte man immer „z Bogiem“, was ins Deutsche genau übersetzt „ mit Gott“ bedeutet.
Laut der alten Tradition war der St. Jacobs Tag (der 25 Juli) der Anfang der Erntezeit. Aber bevor dazu kam hat man sich lange darauf vorbereitet. Man hat die Sensen und Sichel geschärft. Es wurden Schafe und Kalbe getötet. Die Frauen backten das Brot, machten Käse, Butter und das Bier. Aus diesem Anlass wurde in den Kirchen ein besonderes im 18. Jahrhundert von Bernard Rostowski geschriebenes Lied gesungen. Selbstverständlich musste ein guter Landwirt noch vor der Ernte überprüfen ob das Getreide reif genug ist.
Die Erntezeit bedeutete eine schwere, mehrstündige Feldarbeit vom früh bis spät. Die Bauern sind beim Sonneaufgang aufgestanden, aßen das Frühstück und begaben sich auf den Feld aber erst dann wenn das von dem Morgentau bedeckte Getreide völlig abtrocknet. Auf dem Feld stellten sich die Männer mit Ihren Sensen oder Sicheln in die Reihen. Angezogen waren sie in die leinen Hemden und Hosen. Auf den Köpfen trugen sie Huts, die sie vor der Sonne beschützten. Sie waren von den Frauen gefolgt, die das abgeschnittene Getreide sammelten und in Garben gebunden haben. Die Kinder und die Alten haben danach das Getreide in Schober gesetzt.
Die Arbeit wurde für zwei Mahlzeiten unterbrochen. Um die Zeit nicht zu verlieren wurde auf dem Feld gegessen. Besonders begehrt war dabei das hausgemachte Bier (es war nicht so stark wie das heutige). Das Bier neben den erfrischenden Funktionen galt als zusätzliche Ernährung, die bei der Arbeit die Bauern verstärkt. Man arbeitete so lange bi die Sonne so weit nach unten kam das „der größte Bauern sie mit der Hand berühren konnte“
Nachdem die Erntezeit zu Ende gegangen ist, hinterließ man auf dem Feld die letzte Garbe, die man als „Weib“ bezeichnete. Sie sollte das Feld vor den Mäusen beschützen. Sie blieb dort bis zur Herbstfurche. Sie wurde von der ältesten Schnitterin dreimal mit einem Schnurr gebunden. Man hat die Älteste gewählte, weil man glaubte, dass diejenige die diese Arbeit macht wird im nächsten Jahr nicht heiraten.
Die nach Hause zurückehrenden Erntearbeiter wurden von den Mädchen mit kaltem Wasser begossen. Die Jungs haben sie dann so lange gefolgt bis sie die Mädels geschnappt haben und sie selbst mit Wasser vor dem Brunnen nass gemacht haben. Oft endete das Spiel im nah gelegenen See. Jeder hatte auch das Recht das geschnappte Mädchen zu küssen. Sie wehrte sich aber nicht besonders, und wollte geschnappt werden, weil laut der Tradition solches Mädchen mit einem baldigen Heiratsangebot rechnen könnte.
Als Krönung der Erntezeit galt immer das Erntefest. Was interessant ist, wurde diese Tradition von der kommunistischen Regierung sehr gepflegt und fortgesetzt. Man feierte auf großen Stadions in Anwesenheit der wichtigsten Parteifunktionäre. In alten Zeiten bedeutete das Wort „plon“ (deutsch: Ernte) einen schönen Kranz in Form eine Krone die mit Ähren verschiedener Getreidearten beschmückt war. Der beste Feldarbeiter brachte den Kranz zu dem Haus des Landwirtes. Man hat dabei Lieder Gesungen. Die Hausherrin hat alle Schnitter auf das gemeinsame Abendbrot eingeladen. Es wurden Fische, Käse, Rühreier, Würste, und Grütze mit Honig gegessen. Dann hat man bis morgen früh getanzt.
Am 15 August beim Fest der Mariashimmelfahrt (niestety nei wiem jak jest Matki Boskeij Zielnej a to drugie swieto to wniebowziecie tego samego dnia) wurde der Kranz in die Kirche gebracht und dort geweiht. Er blieb dann im Hause des Landwirtes bis zur nächsten Erntezeit, was auch reiche Erträge in Zukunft versichern sollte. Diese Tradition ist um Jahrhunderstwende ausgestorben.