Wenn jemand mit der allgemeinen Meinung, dass sich die Geschichte gerne wiederholt, nicht einverstanden ist, sollte Mitte Juli nach Grunwald fahren. Während die Menschheit den Mund erreicht, kämpfen hier auf dem Schlachtfeld von Grunwald tapfer ganz in Eisen mit Schwert und Beil über 1000 Ritter aus dem ganzen Europa. Das ist kein Deja – vue, sondern eine Inszenierung einer der größten Schlachten des Mittelalters, wo 1410 die verbündeten polnisch-litauischen Kräfte die Macht des deutschen Ritterordens zerschlagen haben. Auf den Jahrestag der Schlacht warten ungeduldig die Mitglieder verschiedener Ritterzünfte. Abenteuersüchtige Fans der alten Kampfkünste kommen voll ausgerüstet, um den Versammelten ihre Kampffähigkeiten zu zeigen, die sie bei monatelangen Übungen trainiert haben. Sie sind bereit ,ein Paar Tausend Zlotys für ihr Hobby auszugeben.
Die größte Veranstaltung dieser Art in Polen, gehört auch zu den größten in Europa. Zuerst werden die Hymnen der kämpfenden Seiten gespielt. Dann fliegen schon die Pfeile, feuern die Kanonen, versinkt die Infanterie im Staub und die Reiterei greift den Feind an. Ein richtiges Fest für alle, die sich im 21. Jahrhundert entschlossen haben, in der Freizeit Ritter zu werden. Zu den Regeln gehört, dass außer in den Großstädten, die Ritterzünfte bei mittelalterlichen Burgen gegründet, werden. Nicht anders ist die Sache in Kętrzyn (Rastenburg) und Barciany (Barten) gelaufen, wo die Ritterzunft Rastenburgia – Barcja aktiv ist. (der zweite Teil dieses Namens stammt von der altpruzzischen Bezeichnung dieser Region). Diese Gruppe zählt 29 Mitglieder, vor allem Schüler des örtlichen Gymnasiums. Wie die angesehenen Nachfolger des Ordens, haben sie ihren eigenen Hochmeister und Komtur. In Olsztyn (Allenstein) gibt es 5 Ritterzünfte, unter anderen Stowarzyszenie Zamkowe (Burgverein). Sie entstand auf ähnliche Art und Weise wie die anderen – es haben sich Leute getroffen, die von der mittelalterlichen Kultur begeistert waren.
Am Anfang hatten sie ein paar Schwerter, Schilder und eine eigene Fahne. Mit der Zeit strebte man aber nach immer besserer und professioneller Ausrüstung. Mit der Zeit wurde aus dem Hobby letztendlich eine Profession. Ein Teil der Ausrüstung wird selbst von den Zünften gestellt, der Rest, wie zum Beispiel Schwerter,werden von Handwerker hergestellt. Der Waffenschmied ,bei dem ich die Sachen kaufe, schreibt mich auf die Warteliste im Januar ein und liefert meine Bestellung erst im November. Nicht immer ist dabei der Preis wichtig. Die Leute möchten immer häufiger das bestellen, was besser ist und nicht das, was billiger ist“ – erzählt Marek (Metzger) Korzeniewski von Ritterverein „Altus Mortis“ Am häufigsten haben die Ritterzünfte ihre historischen Muster,die sie als Vorlagen benutzen . Verein Rastenburgia – Barcja kopiert die Trachten und Struktur der Infanterie der Deutschen Ritterorden aus der Wende des 14. und 15. Jahrhunderts, und der Allensteiner Burgverein (Stowarzyszenie Zamkowe) basiert auf Traditionen des Fähnleins des ermländischen Kapitels. Von seinem Muster wissen sie alles. „Unsere Kräfte waren in Olsztyn (Allenstein), Pienieżno (Mehlsack) und in Fromborg (Frauenburg) stationiert. Als Symbol der Einheiten des Kapitels galt die schwarz-weiß-rote Fahne, deren Anblick für diejenigen ,die dort gedient haben, ein Grund zum Stolz und Ehre war.“ Die Ritterschaft des Kapitels nahm an verschiedenen Turnieren und Schlachten teil, unter anderen an der Schacht bei Grunwald 1410 „– erzählt mit Begeisterung Jakub Omnichowski, Mitglied des Vereines.
Anfängerperioden haben die Ritterbewegungen schon längst hinter sich. Immer mehrere Turniere sind mit historischen Ereignissen verbunden.Es wird nicht akzeptiert, wenn jemand zu einem den Kreuzzügen gewidmeten Turnier in einer Tracht aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges kommt. „Noch vor 4 Jahren hatte ich einen Kreuzzughelm aus dem Jahre 1200 und dazu Handschuhe (sorry, ale nie wiem jak są gotyckie nareczaki) aus dem Jahre 1500. Für Touristen sah das gut aus, aber für jemanden der sich mit Rüstungsgeschichte ein bisschen auskennt, war das ein guter Grund zum Lachen“. – erzählt Marek Korzeniewski weiter. Erst entsprechend angezogener und ausgerüsteter Ritter kann sich auf das Schlachtfeld stellen. Das Leben der Ritterzünfte konzentriert sich auf den Turnieren, zu denen vor allem die Schlacht bei Grunwald (Mitte Juli in der nähe des Dorfes Stębark), Ritterturnier in Nidzica (Neidenburg) und die Treffen mit der Ritterschaft in Olsztyn (Allenstein) gehören. Während dieser Veranstaltungen werden Ritterkämpfe verschiedener Art gezeigt, sogar die, bei denen man die Repliken der mittelalterlichen Feuerwaffe benutzt. Man kämpft mit allen damaligen Waffenarten: mit ein-, und zweihändigem Schwert, Beil, Keule, Korbatsche, Hackmesser, broń drzewcowa ?? Weiterhin werden Knappenprüfungen, Hufeisenwerfen und Bogenschießen gezeigt. Von Zeit zu Zeit werden auch Stockfechtkunst und der mittelalterliche Ringkampf den Versammelten präsentiert. Der Ringkampf darf jedoch nicht in seiner originalen, brutalen Form durchgeführt werden darf, weil man auch dabei Rücksicht auf das heutige Gesetz nehmen muss. Oft endet das Turnier mit der Szene der Eroberung und Inbrandsetzung der Burgen, was man in Nidzica (Neidenburg) und in Malbork (Marienburg) bewundern kann. Es gibt drei Kampfarten. Vorführungen – wie die Schlacht bei Grunwald, wo die Kämpfe für das Publikum inszeniert sind. Die Turniere bestehen nicht nur aus Kämpfen, es werden auch Traditionen und alle Rituale der damaligen Zeit gepflegt. Für Frauen bereitet man auch eigene Wettkämpfe vor. Die Feindschaft auf dem Schlachtfeld findet keine Fortsetzung im realen Leben, man sieht gerade das Gegenteil. „Wir kämpfen mit dem Gegner und später feiern wir gemeinsam auf einem Fest“ – erklärt Marek Korzeniewski. Die Ritterbewegung ist eine internationale Bewegung.Aus diesem Grund nehmen die masurischen und ermländischen Ritter an internationalen Ritterturnieren in Troki in Litauen und in Clermont-Ferrand in Frankreich teil. Unsere Ritter haben auch die Region auf der touristischen Messe in Milano repräsentiert.
Die Entwicklung der Ritterbewegung führt zur Spezialisierung und Professionalisierung. Die Mitglieder der Allensteiner „Alatus Mortis“ haben ein eigenes Gebet, Gesetzbuch und Schwur. Sie teilen sich in kleinere Gruppen auf, die mit verschiedenen historischen Perioden verbunden sind, zum Beispiel: Der preußische Bund (1440-1466) oder das Fähnlein der polnischen Kavallerie aus dem 17. Jahrhundert. An der Spitze jeder Gruppe steht der Oberleutnant, dann kommen die Söldner, Knappen, Trommelschläger, Anfänger und Kandidaten. Der Beitritt zur Ritterzunft ist gar nicht so einfach wie man denkt. Die Aufnahmebedingungen sind klar festgelegt: Der Kandidat muss entsprechende Tracht besitzen, erst dann kann er die Rüstung komplettieren. Die Rüstung muss aus einem wenigstens 1,5 mm dicken Blech erzeugt werden. Die Mitglieder müssen an gemeinsamen Übungen und Vorführungen teilnehmen. „Wir sind verpflichtet, einmal in der Woche 2 Stunden lang sehr intensiv zu trainieren. Zusätzlich trainieren die Ritter die östlichen Kampfkünste, Bodybuilding und Pferdereiten. Jede Abwesenheit muss bei dem Oberleutnant entschuldigt werden, dem jeder Ritter zu gehorchen hat. Als Privileg für jeden ist das Recht auf die in Turnieren gewonnenen Preise, die später geteilt werden. Es geht selten um Geldpreise. Man kann vor allem die Teile der Rüstung wie zum Beispiel Plattenrüstung für 2000-3000 zloty gewinnen. Neben Turnieren werden auch mittelalterliche Spiele, Feste, Treffen beim Lagerfeuer oder gemeinsame Reisen, Vorführungen der alten Trachten, Sitten und Tänzen veranstaltet. Die Vereine verdienen auch ihr Geld, indem sie verschiedene Veranstaltungen für Firmen und Reisebüros organisieren,damit auch diese Interessenten einen Teil des ritterlichen Lebens kennenlernen können. Waffen und Rüstungen werden ebenfalls in Ausstellungen gezeigt. Die Vereine verdienen auch an waffenhandwerklichen Dienstleistungen. Sie bauen auch Burgmaketten, organisieren Fechtkunstkurse und historische Vorträge in Kulturhäusern. Die Begeisterung vom Mittelalter hat zahlreiche Formen. Es kann sogar das tägliche Leben betreffen. Der“ echte“ Ritter kauft zum Bespiel keine Kartonmilch im Supermarkt ,sondern bereitet selber eine frische Mandelmilch nach einer alten Rezeptur:Man übergießt eine Kanne mit zerstückelten Mandeln mit 2 Kannen kochendem Wasser, ungefähr 5 Minuten im Wasser lassen, damit sie weicher werden, und ab und zu mit einem Löffel umrühren. Nachdem man die Mandeln mit Milch vermischt, ist die Delikatesse des Hochmeisters Konrad von Jungingen zum essen fertig. Interessant ist das soziologische Portrait der Teilnehmer der Ritterbewegung. Die Mehrheit hat schon einenHochschulabschluss hinter sich oder ist auf dem besten Weg dazu. Das sind eher Menschen, die wissen, was sie vom Leben erwarten. „Wenn ein Mensch keine Hobbys hat, verfällt er schnell in einen Zustand der psychologischen Teilnahmslosigkeit und landet frührer oder später im nächstenBierladen.“ – lacht Korzeniowski. 5% der Mitglieder sind Frauen. Die meisten sind zwischen 18 und 32. Auf die Frage, warum sie das machen, geben alle die gleiche Antwort:: „Man kann sich dabei nicht langweilen. Man kann kämpfen, schießen, reiten, singen, feiern und das mittelalterliche Leben führen. Einige, die die Bücher lesen, träumen an so einem Bücherabenteuer teilzunehmen. Wir träumen nicht davon, wir nehmen an solchem Abenteuer persönlich teil.“ – führt „Rzeźniczek“ fort. „Wir haben Vertrauen zueinander, wir sind befreundet und vor allem bleiben wir vom Anfang an einer Regel treu, die wir bei Gründung des Vereines angenommen haben: Unser Ziel ist zu lernen, sich zu entwickeln und dabei sich ausgezeichnet amüsieren.“ – ergänzt Filip Omnichowski.