So wie das Nilkrokodil immer mit Ägypten oder der weiße Bär mir Rußland verknüpft wird, so wird mit Polen und vor Allem mit Masuren der Storch verbunden. Das bestätigen auch die Statistiken. Ein Viertel aller Störche der Welt – 80-tausend Stück, wohnt in Polen. Am zahlreichsten sind sie in Masuren. Als inoffizielle Hauptstadt dieser Vogelart gilt das an der polnisch-russischen Grenze gelegene Dorf Żywkowo / Schmadtken.
Die Ornithologen haben hier in 45 Nestern etwa 150 Störche gezählt. Im Dorf selbst leben nur 10 menschliche Familien. Das ergibt fast 5 Nester pro Bauernhof und über 2 pro Dorfgebäude. Alleine Władysław Andrejew besitzt 27 Storchennester, 24 davon sind von Vögel besiedelt. Ein Grund für dieses Phänomen der Natur liegt in der zurückgebliebenen Landwirtschaft. Im Jahre 1947, als die ersten Ansiedler nach Żywkowo kamen, lebten hier 4 Storchenfamilien. Der monokulturelle Ackerbau, der in den nah gelegenen riesigen PGR (Staatsgüter) betrieben wurde, verursacht normalerweise einen Mangel an Nahrung für diese Vögel. Man hatte es hier aber mit einer niedrigen Anbaukultur zu tun (zum Beispiel: zahlreiche Unkrautfelder, Abfälle unterschiedlicher Art). In einer solchen Gegend kann man als Storch immer etwas zu essen finden.
Nach der Wende machten die meisten Staatsgüter pleite. Überall in Masuren wurde das Land allmählich von privaten Bauern übernommen, die die Landwirtschaft auf eine moderne Anbaukultur umstellten. Da war kein Futter mehr für die Störche. Sie mußten „bis ans Ende der Welt“ fliehen, in das 1 km von der Grenze gelegene Dorf Żywkowo. Heutzutage wohnen hier nur alte Menschen. Die Jugend ist in die Städte ausgereist. Die Alten haben keine Kraft und kein Geld mehr, um die Felder modern anzubauen. Aus diesem Grund fanden in dieser Menschenöde, umgeben von zahlreichen wilden Wiesen und anderem Brachland die Störche ihr Paradies für ein glückliches und ungestörtes Leben. Genau in solchen Gebieten verstecken sich Insekten und Mäuse, die als Hauptnahrung für diese Vögel dienen. Heute werden wir Störche nur dort finden, wo auch traditionelle Landwirtschaft vertreten ist. Chemische Mittel, wie sie im modernen Anbau verwendet werden, führen nur zur Vergiftung zahlreicher Lebewesen.
Dank dieser ungewöhnlichen Statistik wurde hier 1997 ein Projekt gestartet, das Żywkowo in ein musterhaftes „Storchendorf“ verwandeln sollte. „Dafür braucht man feuchte Wiesen, verschiedene Arten von Pflanzen, und einen chemiefreien Anbau“ – sagen uns die für das Projekt verantwortlichen Ornithologen. EkoFundusz – eine Organisation, die dieses Projekt verwaltet, sorgt unter andrem für die Nester, die auf den Leitungsmasten plaziert sind. Sie werden durch spezielle Plattformen höher gesetzt, damit die Feuchtigkeit des Nestes nicht Kurzschlüsse im Stromnetz verursacht. Sie finanziert auch Aussichtspunkte die auf den Dächern montiert werden, und so den Touristen die Beobachtung der Vögel aus der Nähe ermöglichen und den Bauernhofbesitzern zusätzliches Geld bringen.
Obwohl in der polnischen Kultur der Storch sehr geschätzt wird, ist das Beobachten von diesen Vögeln kein populäres Hobby. Aus diesem Grund treffen sie keine Massen von neugierigen Besuchern, wenn sie nach Żywkowo kommen. Außerdem kann man hier in diesem Dorf auch etwas Überraschendes erfahren – nur wenige wissen zum Beispiel, daß Frösche, die laut allgemeiner Meinung zum Hauptmenü der Störche gehören, in der Reihenfolge der Leibspeisen der Störche erst an der siebten Position auftauchen. Wer hätte es vermutet? Störche jagen oft … Hähnchen!
Um nach Żywkowo zu kommen, muß man von Lidzbark Warmiński/Heilsberg die Straße Nummer 511 nehmen, um diese dann beim Dorf Torzyny zu verlassen. Ein paar Kilometer hinter diesem Dorf, in Richtung der russischen Grenze entdeckt man dieses einzigartige Vogelparadies.